Vollbesetzt sind die Kirchenbänke im sanierten Gotteshaus, als unter festlichen Klängen des "Posaunenchores Otterndorf und Umgebung" dieser besondere Gottesdienst begnnt. Der Kirchenvorstand schreitet voran zum Altar, Mitglieder der Kirchenkreiskonferenz sowie stellvertretender Superintendent Pastor Klaus Volkhardt, Pastor Thorsten Niehus, der bereits verabschiedete Bert Hitzegrad, Pastor Peter Seydell, Pastor Thomas Hirschberg, Pastorin Astrid Friedrichs und Regionaldiakonin Imme Koch-Seydell folgen. Den Schluss dieser Reihe bilden Pastor Ludwig Feltrup, seine Ehefrau Petra und Superintendentin Kerstin Tiemann. Die geballte Anwesenheit der Pastorenkollegen veranlasst Feltrup bei seiner Begrüßung zu der augenzwinkernden Bemerkung, dass die Kolleginnen und Kollegen sich wohl davon hätten überzeugen wollen, dass er jetzt auch wirklich abtrete. Nach 17 Jahren Pastorenschaft in der Kirchengemeinde Osten, 10 Monaten in Wittmund, 10 Jahren in Lamstedt und letztlich 11 Jahren in Otterndorf werde er heute definitiv in den Ruhestand gehen, versichert Feltrup, aber ein bisschen was hätte er dann doch noch zu sagen.
Im Leben oft von einem Schutzengel begleitet
Ludwig Feltrup spricht angesichts des bevorstehenden Michaelistages davon, dass er im Leben oft von seinem Schutzengel begleitet worden sei und deshalb so manch schwierige Lage habe überwinden können - ob es nun Erzengel Michael gewesen sei oder jemand anderes, das wisse er nicht genau. "Ich bin in jedem Falle froh, dass es Dich gegeben hat", sagt der Jubilar und verliest vor der versammelten Gemeinde einen "Brief an seinen Schutzengel". Demnach sei es längst nicht selbstverständlich gewesen, dass eben dieser Schutzengel auch ständig für ihn da gewesen sei. "Manchmal wolltest Du auch gebeten werden, aber stets hast Du im Verborgenen gewirkt, schön und geheimnisvoll." Der Schutzengel, so Feltrup weiter, sei ein Bote Gottes. "Ohne Gott gibt es Dich nicht, Gott spricht durch Dich", schreibt der 69-Jährige seinem Schutzengel und zeigt sich dankbar, "dass es Dich für mich gegeben hat". Auch wenn sich mancher heutzutage verloren fühle, wie ein Ball hin- und hergeworfen im großen Ganzen, so sei niemand doch wirklich allein. „Stets ist ein Schutzengel für jeden von uns am Werk, der die Liebe Gottes in die Welt trägt.“
"Wir feiern Dich und Dein Wirken in dieser Gemeinde und andernorts"
Auch Superintendentin Kerstin Tiemann zeigt sich in ihrer Ansprache dankbar. Dankbar, dass Ludwig Feltrup dreimal seinen Pastorendienst verlängert habe, bis mit Franziska May eine Nachfolgerin gefunden wurde. "Und heute ist nun Dein letzter offizieller Arbeitstag gekommen", sagt Tiemann und schmunzelt, "obwohl Du bereits im Dezember vergangenen Jahres Deine Ruhestandsurkunde bekommen hast, als die St. Severi Kirche wieder geöffnet wurde." Sogar den offiziellen Handschlag habe er, Feltrup, bereits erhalten. Und offiziell Urlaub habe er auch. "Also, was machen wir eigentlich hier?", fragt die Superintendentin eher rhetorisch. "Wir machen das, was zu einem Stellenende nun einfach auch dazugehört: Wir feiern. Wir feiern Dich und Dein Wirken in dieser Gemeinde und andernorts. Wir feiern, dass Du Pastor geworden bist und ganz viel Positives in Deinem Leben bewirken konntest. Wir feiern die gute Gemeinschaft, die es gegeben hat, die gelungene Begegnung mit Menschen, die Deinen Trost und Deine Begleitung benötigten."
Ein biographischer Rückblick gehört dazu
Selbstverständlich gehöre zu diesem Feiern am Ende eines beruflichen Lebens auch ein biographischer Rückblick, weiß Tiemann und erzählt, dass der Lebensweg des Ludwig Feltrup von dessen Vater geprägt worden sei. "Der war Pastor im ostfriesischen Asel, und so wurdest Du in Asel geboren." Vier Jahre später wechselte der Vater als Superintendent nach Otterndorf - und die gesamte Familie Feltrup zog ins damalige Pfarrhaus nach Ottendorf, das heute als Gemeindehaus genutzt wird. "Als Jugendlicher nahmst Du fortan an den kirchlichen Zeltlagern und der Jugendarbeit teil. Auch diese Arbeit des Diakons hat Dich sehr geprägt."
Viele Interessen - Sport, Windsurfen und Mitarbeit im DLRG
Aber Ludwig Feltrup habe viele weitere Interessen gehabt, zum Beispiel den Sport, das Windsurfen und die Mitarbeit im DLRG - und natürlich die Urlaube auf Langeoog und Spiekeroog. Als er sich dann beruflich habe entscheiden sollen, hätte Feltrup eine ziemliche Bandbreite an Möglichkeiten im Kopf gehabt: Vom Banker über den Bundesgrenzschutzbeamten bis zum Pastor habe es viele Möglichkeiten gegeben. "Aber die ersten beiden Optionen sind dann doch ziemlich schnell weggefallen. Mit Schlips und Kragen wolltest Du auf keinen Fall Dein Leben lang herumlaufen", sagt die Superintendentin. Und die versammelten Kirchenbesucher lachen. Feltrup habe sich für den Beruf des Pastors entschieden und seine Wartezeit nach dem Examen auf dem Bau verbracht. "Deine beruflichen Nebentätigkeiten zeigen, wie wir Dich auch später erlebt haben: sozial engagiert, ohne Berührungsängste, zupackend - pragmatisch."
Neustart mit der zweiten Ehefrau Petra
Nach dem Examen heiratete Feltrup seine erste Frau und ging mit ihr nach Leveste in die Region Gehrden und anschließend in den Probedienst. Die erste Pfarrstelle hatte Feltrup in Osten inne - ganze 17 Jahre lang. Am Ende dieser Zeit trennte sich das Ehepaar Feltrup. „Du hast einen Neustart in Wittmund versucht“, blickt Tiemann zurück. „Schnell wurde jedoch für Dich und Petra - die neue Frau an Deiner Seite - klar, dass Ihr es dort nicht aushaltet. So kamt Ihr 2003 für zehn Jahre nach Lamstedt.“
"Du warst glücklich hier, sonst hättest Du wohl nicht so oft verlängert"
Feltrup habe viel geleistet, die Arbeit mit Konfirmanden, die Arbeit mit Senioren, die Begleitung von Familien und Jugendlichen. All das habe ihm prägend ins Bewusstsein gerufen, „wie wichtig seelsorgerliche Begleitung ist". Dann sei die Stelle in Otterndorf freigeworden - und daraus seien jetzt elf Jahre geworden, sagt Tiemann. Du warst glücklich hier, so habe ich das jedenfalls wahrgenommen - sonst hättest Du wohl nicht so oft verlängert.“ Mehr noch: „Du hast viele schöne Momente mit dem Posaunenchor erlebt, bist Obmann geworden, hattest Freude bei Kasualien und an anderen Orten, an Gesprächen mit Landwirten im Melkstall und an den Konfirmandenfreizeiten nach Spiekeroog. Die Arbeit mit den Menschen, die Seelsorge, die Bereitschaft für andere da zu sein, das Tröstende des Evangeliums bei Beerdigungen zu predigen - das alles hat Dich ausgezeichnet und dafür wurdest und wirst Du geliebt."
"Ich wünsche Dir, dass Dich und Deine Familie die Engel behüten mögen", sagt Tiemann, "mögen sie Dich in diesen neuen Lebensabschnitt begleiten und Euch gemeinsam zeigen, was jetzt dran ist, wo euer Lebensraum ist und wo Gott Euch braucht."
Riesenposter, Blumen und vieles mehr
Nach der Segnung kommt die Stunde des Schenkens: Superintendentin Tiemann überreicht Feltrup ein zusammengerolltes Riesenposter mit Bildern von den Kirchen des Kirchenkreises. Der bedankt sich und übereicht seiner Frau Petra einen Strauß Blumen. "Du hast mich in der Vergangenheit unterstützt und warst vor allem in schwierigen Momenten an meiner Seite", sagt Feltrup. Nun sei eine andere Zeit gekommen, eine gemeinsame Zeit - Freizeit. Kirchenvorstandsvorsitzende Silke Becker will Feltrup ebenfalls nicht mit leeren Händen ziehen lassen. Auch von ihr gibt es, stellvertretend für die anderen Mitarbeiter, Präsente: ein Buch für ihn, Blumen für sie. "Wir vermissen Euch jetzt schon", sagt Becker und umarmt beide.
Von seinem Mitstreiter im Pastorenamt gibt es ein 1000-teiliges Puzzle
Auch Pastor Niehus, der die Feier des restlichen Gottesdienstes an diesem Abend übernimmt, ist voll der guten Worte für Feltrup. "Gemeinsam sind wir durch Dick und Dünn gegangen", sagt er, man hätte Schönes miteinander erlebt - wie die Konfi-Fahrten, aber auch Schwieriges wie die Corona-Pandemie. Niehus, an die Adresse seines nunmehr verabschiedeten Kollegen: "Es waren elf richtig gute Jahre mit Dir." Das Beste jedoch sei es gewesen, so Niehus weiter, "dass wir es geschafft haben, aus einer vormals ziemlich zerstrittenen Gemeinde in Otterndorf eine Gemeinschaft in Einigkeit und Frieden zu gestalten.“ Und weil das irgendwie vergleichbar sei mit dem Zusammenfügen von Einzelteilen, habe er ein 1000-teiliges Puzzle von Otterndorf für ihn mitgebracht. Ludwig Feltrup ist sichtlich bewegt. Die Kirchenbesucher auch. Sie applaudieren lange. Nicht das erste Mal an diesem Abend.