Die altehrwürdige Emmaus-Kirche - sie besitzt eine der letzten originalen Gloger-Orgeln - ist bis auf den letzten Platz gefüllt an diesem sommerlich sonnigen Sonntag. Die treuen Gemeindeglieder aus Neuhaus und umzu, die Kirchenvorstände, Pastoren-KollegInnen und nicht zuletzt Superintendentin Kerstin Tiemann sind gekommen, um sich von jenem Mann zu verabschieden, der insgesamt 15 Jahre lang an der Oste geistlich gewirkt und immer wieder neue Impulse gesetzt hat. Feierliche Posaunenchormusik von Bläsern und Bläserinnen aus der Umgebung stimmen festlich ein, als Pastor Beuermann in der vorderen Reihe des lichtdurchfluteten Barockgebäudes Platz nimmt. Neben ihm sitzen Gattin Ingrid, Stiefsohn Sven und dessen Ehefrau Jasmin sowie die Enkelkinder Merle, Lisa-Marie und Max. Sie alle freuen sich, mit dem 64-Jährigen demnächst wieder in Sögel gemeinsam Weihnachten feiern zu können - dann von sämtlichen Dienstpflichten als Pastor entbunden.
Dankesworte und ein Bürgermeister in Schützenuniform
Doch zuvor wird Uwe Beuermann in dem von ihm und Pastor Klaus Volkhardt zelebrierten Gottesdienst noch reichlich Gutes zuteil - vor allem Dankesworte, unter anderem von Claudia Hinsch, Vorsitzende des Vorstands der Gesamtkirchengemeinde Am Dobrock, später dann von Erster Gemeinderätin Irene Wischhusen, die in Vertretung von Samtgemeindebürgermeister Frank Thielebeule spricht, und - nicht zuletzt - von Fleckensbürgermeister Udo Miertsch, der in Schützenuniform vor die versammelte Zuhörerschaft getreten ist. Sie alle sind voll des Lobes unter anderem ob der Verlässlichkeit und des Engagements von Uwe Beuermann, der viele fruchtbare Spuren hinterlassen habe.
Das erste Kind taufte Beuermann vor 36 Jahren
Nach dem ersten Gesang des Chores aus Mitgliedern des Singkreises Bülkau und der "Happy Singers" aus Cadenberge unter Leitung von Mariola Hosse-Hillmann, lässt Pastor Beuermann in seiner Ansprache viel Persönliches anklingen. Vor 36 Jahren, so erzählt der Gottesmann zu Beginn seiner Predigt, habe er als Pastor das erste Kind getauft, seinerzeit noch in Lüneburg. Am Sonnabend nun habe er das Sakrament der Taufe zum letzten Mal gespendet - und zwar in Oberndorf. Beuermann ließ nicht verkennen, dass sich in der großen Zeitspanne seines Wirkens viel ereignet habe. Nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für die Welt, die zunehmend mehr von Fluchtbewegungen, Armut, Krieg und Terror geprägt werde. Bei aller vermeintlichen Hoffnungslosigkeit bliebe letztlich die große Frage nach dem Sinn des Lebens, die ihn und viele andere bis heute an- und umtreibe. Die Antwort ist und bleibt für Beuermann das Wirken Christi und der zuversichtliche Glaube an ihn. Dieser verleihe Stärke und verpflichte jeden Christen - wie dereinst Apostel Paulus - dazu, auch mal kritische Fragen zu stellen, eindeutig zu sein, in der Gegenwart klar Position zu beziehen.
Superintendentin erinnert an "wechselvollen Weg"
"Ich staune immer wieder, wie der Ruf unseres Gottes sein kann, wie dieser Ruf sich durchsetzt - gegen alle Widrigkeiten", formuliert hernach Kerstin Tiemann. Die Superintendentin erinnert in ihrer Ansprache damit an den wechselvollen und mitunter anstrengenden Weg Beuermanns zum aktiven Pastor. "Sie, lieber Herr Beuermann, haben diesen Ruf vielleicht zum ersten Mal ansatzweise in dem guten Religionsunterricht in der Schule gespürt. Ihre Neugier auf die Bibel wurde geweckt, Sie haben gerne in der Bibel gelesen", sagt Tiemann und skizziert die beruflichen Stationen im Leben des Uwe Beuermann nach: Wartesemester nach dem Studium der Theologie, Pflegehelfer im Annastift in Hannover, Vikar im Ökumenischen Zentrum St. Stephanus in Lüneburg, zwischenzeitlich dann Kandidat im Predigtdienst der Pauluskirchengemeinde in Melle, mit Vertretungsdiensten im dortigen Kirchenkreis. "Ein Jahr später traten Sie dann endlich den Probedienst in Sögel im katholischen Emsland an", erinnert die Superintendentin, ohne zu vergessen, dass sich Beuermann dort mit einem schwierigen Kirchenvorstand, zerrütteten Verhältnissen und katholischen Verurteilungen ob einer "nicht angemessenen Lebensführung" habe auseinandersetzen müssen. Beuermann hatte sich in die alleinerziehende Mutter zweier Kinder verliebt und diese 1994 geheiratet - was aus katholischer Sicht wohl ein Unding gewesen sei. "Ich kann nach ihren Erzählungen nur staunen, dass Sie es 17 Jahre in Sögel ausgehalten haben und erkläre es mir damit, dass Ihre gute Arbeit dann doch großen Anklang gefunden hat", lobt Tiemann. "Ihr scharfer Verstand, Ihre theologische Fundiertheit und die Bereitwilligkeit, überall mitanzupacken, wurde geschätzt", zollt die Superintendentin dem scheidenden Pastor ihren Respekt. Trotz all seiner Bemühungen habe sich die Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand in Sögel jedoch weiterhin schwierig gestaltet. Tiemann: "Im Rückblick muss ich sagen, dass es traurig ist, wie sehr Kirchenleitung in der Vergangenheit immer wieder versagt hat, wie katastrophal Personalplanungen gelaufen sind und wie sehr die Fürsorgepflicht vernachlässigt wurde." Und weil es ihm wohl niemand anderes mehr sagen werde und sie, Tiemann, heute als Teil dieser Kirchenleitung da sei, "möchte ich im Namen der Landeskirche Entschuldigung sagen".
Auch einmal über sich selbst lachen können
Tiemann zeigt sich froh darüber, dass für Uwe Beuermann 2009 endlich der erlösende Anruf aus Hannover gekommen sei und ihm die Pfarrstelle in Belum, Neuhaus und Geversdorf angeboten worden ist. "Dieser Wechsel gab Ihnen neue Impulse.“ 2018 sei Oberndorf hinzugekommen. Tiemann: "Ihnen haben es die Kirchengemeinden zu verdanken, dass sie zu einer Selbständigkeit erzogen wurden und auch den Schritt zur Gesamtkirchengemeinde geschafft haben." Beuermann hätte die Menschen zu eigenem Nachdenken inspiriert. "Sie waren dabei oftmals sehr unterhaltend und haben versucht, die Menschen auch zum Lachen zu bringen - zum Lachen über sich selbst." Vielleicht sei das etwas, dass Beuermann aus seiner Lebenserfahrung den Menschen habe mitgeben wollen. "Nur wer sich das Lachen bewahrt, geht nicht an den Widrigkeiten des Lebens zugrunde", formuliert die Superintendentin.
Rückkehr mit der Familie nach Sögel
Kerstin Tiemann zeigt sich mit dem derart Ausgezeichneten glücklich, dass dieser nun mit seiner Familie nach Sögel zurückkehre - in die Heimat seiner Frau. "Alle freuen sich schon auf ein erstes Weihnachten in der Familie. Und außerdem sollen viele Menschen in Sögel ja auch ziemlich nett sein." Tiemann wünscht dem 64-Jährigen die Gnade Gottes und den Frieden nach einem derart bewegten Berufsleben. In diesem Zusammenhang lobt sie auch die Bescheidenheit von Beuermann. "Als Diener des Herren stellen Sie selbst an diesem Tag nicht gerne ihre Person in den Mittelpunkt, sondern richten den Blick auf die Zukunft der Kirche." Bezeichnend dafür sei die Tatsache, dass er sich gewünscht habe, dass es keine persönlichen Geschenke geben möge, sondern Spenden für die Gesamtkirchengemeinde am Dobrock.
Anerkennende Worte auch von Landesbischof Meister
Pastor Klaus Volkhard verabschiedet seinen langjährigen Kollegen mit dankenden und anerkennenden Worten von Landesbischof Ralf Meister. Kerstin Tiemann entbindet Beuermann offiziell von seinen dienstlichen Pflichten. "Nicht alles im Dienst eines Pastors liegt uns vor Augen", sagt sie dann, "vieles geschieht im Verborgenen. Und doch können die Früchte Ihres Wirkens wahrgenommen werden", betont Tiemann und kündigt an, dass Pastor Axel Scholz, Partner der neuen Otterndorfer Pastorin Franziska May, ab Oktober in den Gemeinden an der Oste aushelfen werde.
Und zum Schluss regnet es reichlich bunte Seifenblasen
Beim Auszug aus der Kirche – nach langanhaltendem Applaus der Kirchenbesucher - regnet es für den Pastor im Ruhestand rechts und links des Ganges bunte Seifenblasen. Draußen verabschiedet sich der engagierte Gottesmann von jedem Besucher per Handschlag. Geduldig, lächelnd und warmherzig. Doch vorbei sind die Feierlichkeiten damit noch lange nicht. Im Festzelt gleich nebenan gibt es Kaffee, Kuchen, Bratwurst, Kaltgetränke und jede Menge Gelegenheit zum Klönschnack - ein besonderer Tag, ein langer Tag und einer, den Uwe Beuermann nicht vergessen wird.