"Ich kann entspannen und meinem Empfinden leise nachspüren"

Erstellt von Andreas Schoener | |   News aus dem Kirchenkreis

Was geht Pastor Thorsten Niehus durch den Kopf, wenn er an die "neue" Orgel-Gloger denkt? Im Interview spricht der Otterndorfer Gottesmann über seine Gefühle angesichts der bevorstehenden Wiedereinweihung und darüber, warum Kirchenmusik so wichtig ist.

Warum ist Orgelklang für uns Christen so wichtig? Leute wie der lutherische Theologe Theophil Großgebauer - er lebte im 17. Jahrhundert - hatten Instrumentalmusik strikt abgelehnt, weil sie die Gläubigen im Gottesdienst angeblich vom Gebet abhalten würde. Wie sehen Sie das?
Die Orgelmusik steht dafür, allein Gott anzubeten, weil er den Glauben verschenkt. Wir Menschen empfangen dieses Geschenk unabhängig von unserer gesellschaftlichen Stellung oder Leistung gleichermaßen. Der Darstellung der Liebe Gottes zu den Menschen - zuzuhören, ohne nachdenken zu müssen, sondern nur empfangend zu genießen - betrachte ich als eine angemessene Haltung und als einen Kontrapunkt zur Betonung des Verstandes in der Predigt. Gegenüber anderer Musik, die ich im Gottesdienst auch sehr schätze, betont die Orgelmusik durch ihre Überlieferungsgeschichte die Ehre Gottes.

Man hat die Orgel früher zumeist zu repräsentativen Zwecken eingesetzt, insbesondere im Byzantinischen Reich, wenn der Kaiser seine Audienz hielt. Erklang die Orgel, wussten die Anwesenden: Jetzt kommt der Kaiser, jetzt habe ich mich zu erheben. Sind die Pastoren von heute die Kaiser von früher?
Nein, im Gegenteil, die Gemeinde sitzt in der Regel. Das ist ansonsten - historisch gesehen - das Privileg der Könige und Kaiser. Der Pastor indessen steht. Liturgisch dient der Pastor der Gemeinde, wie der Organist, während die Orgelmusik wie die Predigt des Evangeliums die Herrschaft Gottes in den Mittelpunkt stellt.

Für die Sanierung der Gloger-Orgel ist viel Geld aufgebracht worden – sowohl von öffentlicher als auch von privater Hand. Insgesamt rund 1,8 Millionen Euro. Hätte man das Geld nicht auch anders verwenden können?
Die privaten Spenden sind ebenso zweckgebunden zu verwenden wie die Mittel der Stiftungen für den Denkmalschutz. Lediglich 25 Prozent sind kirchliche Mittel, für die sich die Gremien entschieden haben, sie als Eigentümer der Gloger-Orgel in den Denkmalschutz zu investieren. Ohne die Restaurierung dieses wundervollen Instruments wären besagte Mittel in andere Denkmalschutzprojekte investiert worden. Eine Nichtbeteiligung der Kirche an der Pflege des eigenen Eigentums wäre kaum zu vermitteln.

Warum ist die Gloger-Orgel für uns im Kirchenkreis und darüber hinaus so wichtig?
Der Kirchenkreis liegt in der bedeutenden Orgellandschaft zwischen Elbe und Weser. Die Gloger-Orgel ist die größte Barock-Orgel in dieser Landschaft und gehört - neben der Stellwagen-Orgel in Stralsund, der Schnitger-Orgel in Hamburg St. Jakobi, der Stader Bielfeld und der Schnitger-Orgel in Norden - zu den größten Barock-Orgeln der norddeutschen Küste. Zudem steht die Gloger-Orgel durch den "Otterndorfer Orgelstreit" an der Geburtsstätte der lutherischen Orgelkultur bis hin zu Johann-Sebastian Bach. Beide Gründe lassen es sinnvoll erscheinen, die Gloger-Orgel in den Mittelpunkt einer gediegenen kirchlichen Orgelkultur zu stellen und entsprechend durch den Kirchenkreis und die Landeskirche zu fördern.

Haben Sie ein Lieblingsstück, das Ihnen fachkundige Musiker wie beispielsweise Kreiskantor Kai Rudl auf der Gloger-Orgel immer wieder vorspielen könnten?
Nicht immer wieder dasselbe Stück. Ich liebe die Vielfalt und das Besondere der Orgelmusik. Von Bach und Buxtehude über Mussorgski bis hin zu Led Zeppelin und den Stones hat Kai Rudl mich schon mit vielen Musikstücken auf der Orgel erfreut.

Haben Sie schon mal gewünscht, selbst Orgel spielen zu können?
Nein. Es ist für mich ein Genuss, im Gottesdienst zuhören und zur Ruhe kommen zu können, ohne selbst etwas tun zu müssen. Es tut mir gut, nicht alles selbst zu machen.

Was empfinden Sie ganz persönlich, wenn die Gloger-Orgel erklingt?
Angesichts der frisch restaurierten Orgel empfinde ich große Freude und tiefe Dankbarkeit. Grundsätzlich hilft mir Orgelmusik in der Kirche, von zumeist nebensächlichen Gedanken loszulassen. Ich kann entspannen und meinem jeweiligen Empfinden - Freud und Leid, Ärger, Dankbarkeit, Hektik, Liebe und anderem mehr - leise nachspüren und in ein gewisses seelisches Gleichgewicht kommen.

Welche Bedeutung hat die Wiedereinweihung der Gloger-Orgel für die Kirchengemeinde?
Am nächsten Sonntag, 20. Oktober, können alle Bürger um 10.30 Uhr in St. Severi etwas Einmaliges erleben: Ein 280 Jahre altes Instrument wird nach seiner Sanierung wieder im Originalzustand zu hören sein. Nach menschlichem Ermessen werden die Menschen in Otterndorf und umzu eine solche Gelegenheit auf absehbare Zeit kein zweites Mal bekommen.

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Die 2527 Pfeifen der Gloger-Orgel werden am Sonntag erstmals wieder im Originalton erklingen – die gründliche Sanierung macht’s möglich. Rund 1,8 Millionen Euro wurden investiert.
Für Otterndorfs Pastor Thorsten Niehus ist die Gloger-Orgel in St. Severi mehr als „nur“ ein Kircheninstrument. Der 63-Jährige hat viele Gründe, sich auf die Wiedereinweihung zu freuen.